Edit: an die gemachte Beobachtung schließe ich einen Auszug eines auf Deutsch verfassten Berichtes an.
Der erklärt indirekt die gemachte Beobachtung.
Vor ein paar Tagen ging ich auf das Mehrfamilienhaus zu, in dem auch meine Eltern wohnen. Die kleine Nachbarin, sie geht jetzt in die zweite Schulklasse, war gerade dabei, die Haustür zu öffnen und hatte damit etwas Schwierigkeiten. Wir kennen uns sehr flüchtig vom sehen.
Direkt neben ihr in etwa 1m Abstand auf dem Boden saß ein Buchfink und pickte erstaunlich unberührt von dem Menschenkind hier und da ein wenig rum. Wegen Corona und dem Vögelchen hielt ich ein paar Meter Abstand und schaute verwundert zu. Dann sprach ich das blonde Mädchen an und machte sie auf das Vögelchen aufmerksam. Mit ausdruckslosem Gesicht sah sie kurz zu mir, dann in die gewiesene Richtung zum Buchfink… Gleichbleibend ausdruckslos. Ich war absolut erschrocken, dass weder im Gesicht noch in den blauen Augen des Kindes irgendwas wie Überraschung, Verwunderung, Ekel, Angst, Freude, Erstaunen ... irgendetwas zu erkennen war. Absolute Gleichgültigkeit!
Sie drehte sich auch sofort wieder dem Schlüssel und der Haustür zu, die sie mittlerweile dann auf bekam. Mich hat das so irritiert, dass ich an ihrer statt jetzt sagte: „ Vielleicht ist es ja oben gegen ein Fenster geflogen?“. Einzige Reaktion war ein flüchtiger Blick zu mir, weil ich was gesagt hatte. Kein weiterer Blick zum Tier. Das Mädchen ging jetzt rein, ich beobachtete den Vogel noch ein wenig und stellte fest, dass es ihm an nichts fehlt und ließ ihn weiter hüpfen. Das Kind hatte mir wortlos noch kurz die Tür auf gehalten.
Mit der Mutter des Mädchens hatte ich früher zusammen im Sandkasten gespielt. Etwas Menschenscheu ist die gesamte Familie schon immer gewesen, aber empathielos?
Meine Eltern befragte ich , immer noch irritiert, nach dem Kind und sie erzählten, wie ein Eichhörnchen von ihrem Balkon aus nach oben, zum Balkon jener Familie des Mädchen, geklettert sei, schnelle Kinderfüße zu hören waren, dann ein Schlag und das Eichhörnchen im hohen Bogen von der 2. Etage bis auf den Betonboden draußen stürzte.
Da ich vor etlichen Jahren mal mit Kindern gearbeitet hatte, selbst eines groß habe, weiß ich, dass solch ein Verhalten nicht normal ist bei Kindern, die überraschend einem kleinen Tier gegenüber stehen. Deshalb suchte ich nach einer Antwort im Internet und wurde fündig. Was man liest, ist nicht gut.
https://bpspsychub.onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/bjdp.12283
Die Bildschirmzeit von Kindern ab dem vierten Lebensjahr steht im Zusammenhang mit zu beobachtendem Empathie- Verlust bei Kindern. Laut der britischen Studie gibt es dabei einen Unterschied zwischen Mädchen- und Jungen-Gehirnen.
Während TV-schauen vor allem bei Mädchen zu diesem Phänomen führt, ist es bei Jungs eher die Zeit, die sie mit Computerspielen verbringen.
Laut dem verlinkten Bericht erlernen Kinder empathisches Verhalten besonders durch die Interaktion mit den erwachsenen Bezugspersonen.
Wird diese durch Bildschirmzeit ersetzt, scheint die Empathie zu leiden. Jetzt sind wir im Jahre 2021. Das Corona Jahr 2020 ist hinter uns. Ein Jahr, in dem gelangweilte Kinder und genervte, überforderte Eltern zusammen oftmals in einer Wohnung steckten, in der auch oft kein weiterer Spielkamerad verfügbar ist. Was ist einfacher, als die Kinder, die sonst in Schule, Betreuung, Sport und Hobby unterwegs gewesen wären, jetzt vor dem Bildschirm zu parken? Wie viele Eltern werden in Corona-Lockdowns ihre Kinder so „beschäftigt“ bzw. ruhig gehalten haben - Fernsehen, Netflix, Zocken...
Da drängt sich schon die Frage auf:
Haben wir es hier mit einer Generation zu tun, denen die Empathie verloren geht? Wird sich das mit den Jahren noch kompensieren lassen, oder ist das dafür empfängliche Zeitfenster der Individualentwicklung ab einem gewissen Alter zu?
Die kleine Nachbarin bei meinen Eltern ist ganz gewiss kein Einzelfall. Mich gruselt es, mir vorzustellen, dass weltweit jetzt eine Generation an Kindern heran wächst, denen durch erhöhte Bildschirmzeiten die Empathiefähigkeit verloren geht. Eine Zombie-Generation, der andere Lebewesen egal ist?
Wenn ich mir dann vorstelle, in 20, 30 Jahren sollen diese Kinder sich um Alte und Kranke kümmern? Wie „gut“, dass die künstliche Intelligenz schon soweit ist, so dass Roboter mit antrainierter Empathie die Betreuung und Versorgung besser übernehmen werden können… Mich gruselt es.
Einen deutschen Bericht, der indirekt meine gemachte Beobachtung erklärt:
https://www.scinexx.de/news/biowissen/kleinkinder-computerspiele-veraendern-weltsicht/?fbclid=IwAR1hv27ctxf8ebRNopAUr1IhruoAMjndBrs-VIV408RGYi-jlEXPKFvwHKU
Auszug:
“Das Ergebnis: Tatsächlich fanden die Forschenden deutliche Unterschiede in zwei Aspekten. Der eine betraf die Erfassung globaler und lokaler Muster: Solange sich die Kinder nur auf eine einzige Form – beispielsweise die Sonne aus kleinen Sternen – konzentrieren mussten, dominierte wie für dieses Alter üblich die globale Sicht.
Anders jedoch, wenn mehrere Formen gleichzeitig erschienen und die Aufmerksamkeit geteilt werden musste. „Dann zeigten die mediennutzenden Kinder eine lokale Präferenz – sie waren im Erkennen der Details schneller als bei der globalen Form“, berichten Konok und ihr Team. Die Kinder sahen demnach erst die Bäume, dann den Wald statt wie normalerweise üblich umgekehrt. In einem weiteren Experiment zeigte sich ein ähnlicher Effekt.
„Diese Daten stützen die Annahme, dass das Spielen digitaler Spiele zu einer Verschiebung der Aufmerksamkeitsverarbeitung vom Globalen zum Lokalen führt“, schreiben die Forschenden.
Probleme bei der Perspektivübernahme
Auch in Bezug auf die Perspektivübernahme fand das Team Unterschiede zwischen den Kindergruppen: „Die mediennutzenden Kinder zeigten schlechtere Theorie-of-Mind-Fähigkeiten als die Nichtnutzer“, berichten Konok und ihr Team. Die Kinder verstanden oft nicht, dass eine andere Person nicht wissen kann, dass sich statt der Smarties ein Bleistift in der Box verbirgt.
„Dies bestätigt frühere Ergebnisse zu den Effekten des exzessiven Fernsehens bei Vorschulkindern: Auch dies führt zu einer schlechteren Perspektivübernahme“, erklären die Wissenschaftler. Sie führen diesen Effekt darauf zurück, dass Fernsehen und digitale Spiele einen Fokus auf dem kleinteiligen, Lokalen erfordern, die Theory of Mind aber einen ganzheitlichen Ansatz und ein globales Verständnis der Situation und Zusammenhänge braucht.”
Welche langfristigen Folgen das haben kann, so heißt es weiter, ist noch unklar.
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